Familie Hamburger

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Dr. med. Georg Hamburger und Marie Hamburger, geb. Biganovski gehörten zu den jüdischen Familien in Neckarbischofsheim. Sie wohnten in der Waibstadter Str. 15.

Ihr Leben und Wirken [1][Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Porträt Dr. Georg Hamburger (von Alois Gruber 1913) [2]

Am 25.09.1883 kam Georg Hamburger als Sohn evangelisch getaufter Juden in Moskau zur Welt. Sein Vater besaß dort eine Fabrik für medizinische Instrumente. 1895 übersiedelte die Familie nach München. Zusammen mit seinen 4 Geschwistern wuchs er dort auf. Im Februar 1912 übernahm Dr. Hamburger in Neckarbischofsheim die Arztpraxis von Dr. Strauß und zusätzlich ab September 1913 die Stelle des Spitalarztes in dem 1855 errichteten Krankenhaus.

In den beiden Vereinslazaretten wird Dr. Hamburger von der Vorsteherin der Kreishaushaltungsschule Hermine Dietz und 15 Helferinnen unterstützt. Sie alle sind keine ausgebildeten Schwestern. Neben der Pflege der Kranken bereiten sie sich auch noch auf die Prüfung zur Krankenschwester vor. Am 7. Januar legen sie ihr Examen ab und erhalten ein Diplom, Haube und Brosche [3].

In diese Zeit fielen für Dr. Hamburger eine Reihe von Schicksalsschlägen. Zwei Geschwister starben früh und am 15.09.1914 fiel sein Bruder Alexander als deutscher Soldat vor Verdun.

Während des 1.Weltkriegs betreute Dr. Hamburger neben seiner räumlich großen Landpraxis auch die beiden Lazarette im Bezirkskrankenhaus und in der Haushaltungsschule (= heutiges Rathaus) in Neckarbischofsheim.

Die Mitglieder des Männerhilfsvereins9 aus Neckarbi- schofsheim und Waibstadt, die nicht eingezogen sind, helfen insbesondere bei den Krankentransporten be- reitwillig mit. Bei Ausbruch des Krieges ist Graf Victor von Helm- statt 63 Jahre alt (Bild links). Als Kriegsteilnehmer von 1870/71 ist es für ihn selbstverständlich "dem Vaterland zu dienen". So ist er schon von Beginn an beim Roten Kreuz zur organisatorischen Unterstützung im Depot in Bruchsal. Am 3. Februar 1915 wird er zum Delegierten bei der Armeegruppe Strantz10, der 5. Armee bestimmt, wo er den Begleittrupp der 7. Etappeninspektion in Saône übernimmt. Er steigt in den Rang eines Rittmeisters auf und übt dieses Amt bis Ende des Krieges aus.

Dr. Hamburger muss ein hervorragender und sehr beliebter Arzt gewesen sein!

Als der Schreinermeister Fritz Schütz bei der Arbeit an einer Fräse mit dem Ehering an der Säge hängenblieb, wurden ihm der Ringfinger herausgerissen, sowie der Daumen und der Mittelfinger abgetrennt. Dr. Hamburger operierte den Verletzten indem er die Handknochen der fehlenden Finger amputierte und den kleinen Finger zum Zeigefinger annähte. Durch diese Operation konnte Fritz Schütz die restlichen 2 Finger wieder zum Greifen verwenden und seinen Beruf als Schreiner weiterhin ausüben.

Obwohl Dr. Hamburger bei der Bevölkerung ein äußerst beliebter Arzt war, begann mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten die Situation für ihn zunehmend schwieriger zu werden.

Im Juli 1935 warf das „Amt für Volksgesundheit“ in Heidelberg dem Bezirksspitalverband Neckarbischofsheim in einem Schreiben vor, „dass Sie immer noch Dr. Hamburger als Krankenhausarzt haben, trotzdem er Jude ist.“

Da die Kündigungsfrist 6 Monate betrug, blieb Dr. Hamburger noch ein halbes Jahr im Amt. Nur Graf Viktor von Helmstatt setzte sich in einem Brief vom 28.07.1935 für den Verbleib Dr. Hamburgers als Krankenhausarzt ein und verwies darin auf die großen Verdienste Dr. Hamburgers.

Am 27.07.1938 verlor Dr. Hamburger durch ein Reichsgesetz nach 26-jähriger Tätigkeit seine Zulassung als Arzt.

Am Morgen nach der Reichspogromnacht wurde Dr. Hamburger zusammen mit dem jüdischen Religionslehrer Jakob Bloch verhaftet und ins KZ Dachau deportiert (Haftnummer: 20600). Am 13.Dezember 1938 wurde er wieder entlassen. Allerdings hatte er deutliche Folterspuren.

Porträt Maria Hamburger, geb. Biganovski (von Alois Gruber 1917) [2]

Danach standen Dr. Hamburger und seine wenigen Freunde verstärkt unter Beobachtung. Eine junge Neckarbischofsheimerin besuchte Dr. Hamburger bei Dunkelheit. Es war ein bestimmtes Klingelzeichen ausgemacht. So brauchte man beim Öffnen der Haustüre kein Licht zu machen. Dies wurde aber von Neckarbischofsheimer Bürgern denunziert und angezeigt (Rassenschande). Die Sache verlief allerdings im Sande, da die angezeigte Frau ein lupenreines Alibi hatte. PG Heinrich Belz aus der Nachbarschaft von Dr. Hamburger bestätigte, dass die Frau bei ihm gewesen sei: „Die hat bei mir Plätzchen gebacken!“ Es handelte sich allerdings um Mutter und Tochter mit der gleichen Figur.

Nur gut einen Monat später teilte Dr. Hamburger dem Bürgermeisteramt in Neckarbischofsheim „vorschriftsmäßig“ mit, dass er ab dem 01.01.1039 den zusätzlichen Vornamen „Israel“ führt.

Im April 1939 konnte Dr. Hamburger gerade noch in die USA fliehen. Er wohnte dort zunächst bei Alfred Wolff, der schon 1936 aus Neckarbischofsheim emigriert war. In den USA arbeitete er in einer Fabrik, die medizinische Instrumente herstellte. Dr. Hamburger starb am 16.Juni 1946 mit 63 Jahren.

Dr. Hamburgers Frau Maria Hamburger, geborene Biganovski (geb. 29.07.1887) folgte ihrem Mann im Juli 1939 in die Emigration in die USA, wo sie 1970 in New York starb.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Rechercheergebnisse von: Adolf-Schmitthenner-Gymnasium, Neckarbischofsheim, Projektgruppe „Judentum im Kraichgau“, Realschule Waibstadt, Verein für Heimatpflege e.V., Neckarbischofsheim, SPD – Ortverein Neckarbischofsheim, Verein „Jüdisches Kulturerbe im Kraichgau e.V.“, veröffentlicht in einem Flyer zur Gedenkveranstaltung zum 79. Jahrestag der Zerstörung der Synagoge in Neckarbischofsheim am 9. November 2017
  2. 2,0 2,1 Das Portrait hängt im Museum im Alten Schloss in Neckarbischofsheim
  3. Aus: "Bischesser Leut", Heft 1, siehe Neckarbischofsheimer Leute