Familie Wolff
Die Familie Wolff war eine alteingesessene Neckarbischofsheimer Familie. Sicher überliefert ist, dass schon Baruch Jakob Wolff (05.1747 – 09.05.1820) und seine Frau Sarah Wolff, geborene Voegelin (08.1765 – 14.04.1820) in Neckarbischofsheim lebten.
Julius Wolff; Moses Max Wolff und Irma Wolff, geborene Stein; Ernst Wolff, Florence Wolff, geborene Marx und Kurt Wolff; Alfred Wolff wohnten in der Hauptstraße 36/38.
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Die Stolpersteine
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Hauptstraße 36/38, heute
Ihr Leben und Wirken [1][Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Sein (Anm. d. Red.: Baruch Jakob Wolffs) Sohn Moses Baruch Wolff (03.10.1799 – 30.04.1872) hatte zusammen mit seiner Frau Friederike Wolff (1804 – 02.11.1853) 10 Kinder. Nach dem großen Brand in Neckar- bischofsheim vom 02./03.11.1959 erbaute er mit seinem Sohn Jakob Wolff (16.03.1840 – 09.03.1914) die beiden Häuser in der Hauptstraße 36/38. Jakob Wolff und seine Frau Babette Wolff, geborene Oppenheimer (05.10.1845 – 21.10.1921) hatten 6 Kinder. Ihre 3 Söhne Berthold, Julius und Max blieben in Neckarbischofsheim. Die Familie Wolff handelte mit Getreide („M.B. Wolf & Sohn“) und kam so zu Wohlstand. Eine Zeitzeugin erinnert sich noch an die Wohnung, an dicke Ledersessel, schwere Möbel, dicke Vorhänge und Zigarrenqualm.
Vor allem Bertholds Wolffs ältester Sohn Ernst Wolff (geb. 02.01.1899) war in Neckarbischofsheim eine bekannte und auch geachtete Persönlichkeit. 1917 wurde er mit 18 Jahren deutscher Soldat und am 30.05.1918 in Frankreich verwundet (Durchschuss der Hand und Streifschuss am Kopf). Als er am 01.04.1919 aus der Gefangenschaft zurückkam, stieg er ins väterliche Geschäft ein.
Dass die Familie Wolff voll ins Vereinsleben von Neckarbischofsheim integriert war, zeigt Ernst Wolffs Engagement als aktiver Spieler beim TSV 1919 Neckarbischofsheim als auch das seiner Schwester Erna als aktive Turnerin beim TV 09.
1932 bildete Ernst Wolff zusammen mit Samuel Jeselsohn und David Jakobsohn den Synagogenrat der jüdischen Kultusgemeinde. Bedingt durch die immer schlechter werdenden Lebensverhältnisse in der NS-Diktatur verließ Ernst Wolffs jüngerer Bruder Alfred Wolff (geb. 17.12.1903) Deutschland und emigrierte am 11.07.1936 in die USA, wo er 1976 verstarb.
Ernst Wolff folgte seinem Bruder zusammen mit seiner Frau Florence Wolff, geborene Marx (30.01.1908 – 08.1979) und seinem kleinen Sohn Kurt Jacob Wolff (geb. 07.03.1936) im Oktober 1937 in die Emigration in die USA.
Ernst Wolffs Schwester Erna hatte Anfang 1930 Berthold Stein geheiratet und wohnte danach in Seeligenstadt, der Heimat ihrer Mutter. Erna Stein, geborene Wolff, gelang die Flucht aus Deutschland nicht mehr. Sie wurde am 30.09.1942 zusammen mit ihrem Mann Berthold und ihren 3 Kindern Hans – Joachim (geb. 07.02.1931), Lothar (geb. 10.10.1933) und Emmy (geb. 23.11.1934) von Darmstadt aus deportiert und starb mit ihrer Familie am 02.10.1942 in den Gaskammern in Auschwitz – Birkenau. In der Aschaffenburger Straße 2 in Seeligenstadt erinnern Stolpersteine an Erna Wolff und ihre Familie.
Nachdem Berthold Wolffs Söhne in die USA emigriert waren, zog er zusammen mit seiner Haushälterin Laura Eschelbacher (28.03.1888 – 14.08.1942 in Auschwitz) zu seinen Brüdern Julius und Max und dessen Frau von der Hauptstraße 36 ins Nachbarhaus. Das Haus in der Hauptstraße 36 wurde danach verkauft. Berthold Wolff starb am 17.06.1939 und wurde auf dem Waibstadter Judenfriedhof beerdigt.
Nach Berthold Wolffs Tod wohnten im Haus Hauptstraße 38 bis zur Deportation der badischen Juden nach Gurs am 22.10.1940 nur noch Julius Wolff (geb. 21.06.1872) und Max Wolff (geb. 24.09.1873) sowie dessen Frau Irma Wolff, geborene Stein (geb. 03.12.1882).
Julius Wolff berichtete folgendes über seine Deportation nach Gurs (entnommen aus: Wilhelm Bauer, Sinsheimer Hefte: die ehemalige jüdische Gemeinde von Sinsheim): „Am 22. Oktober 1940 gingen mein Bruder und seine Frau an die Bahn, um nach Heidelberg zu fahren. Da kam ein Gendarm und sagte, sie sollten nach Hause gehen, wir werden abtransportiert, wir müssten in einer Stunde packen und 100 Mark mitnehmen. Um 1/2 10 Uhr kam Schäfer mit einem Karren und holte unsere Sachen. Dann ging es aufs Rathaus, bis wir alle beisammen waren. Um 11 Uhr kam ein Lastauto und lud uns und unsere Sachen ein. Dann ging es nach Heidelberg. Dort standen alle herum, bis alle Juden beisammen waren. Abends um 1/2 6 Uhr ging der Zug ab; wir wussten nicht, wohin.
Als der Zug nach Karlsruhe ging, dachten wir, es geht nach Frankreich. In Mühlhausen bekamen wir 2 Teller Suppe. Für die 100 Mark bekamen wir 2000 Fr, alles im Zug. Dann ging es weiter nach Lyon... wir fuhren von Dienstag Abend bis Freitag Mittag 11 Uhr, wo wir in Oloron bei den Pyrenäen ankamen. Dann 20 Minuten Autofahrt nach Gurs im Lastauto bei Regen. Es kamen ungefähr 40 Mann in die Baracke, später waren es einige weniger. Es waren da ungefähr 12 000 Menschen beisammen, aber auch noch viele Spanier... da gab es jeden Tag 10-12 Beerdigungen ...
Wir blieben da bis Juni 42, dann kamen wir nach Récébédou bei Toulouse. Im August 42 wurde meine Schwägerin deportiert. Max ging freiwillig mit, da nur bis 65 Jahre fortkamen, später bis 60 Jahre, aber es kamen deshalb noch viel Ältere mit; ob solche noch leben, glaube ich kaum. Am 6. Oktober 42 kam ich auch weg. Das Lager soll aufgelöst worden sein; ich kam nach Nexon. Das war das Schlimmste. Da gab es Läuse in Mengen; wer da krank wurde, den haben die Läuse gefressen. Über die Zustände in den Lagern kann ich nicht alles schreiben; das gäbe zu viel..."
Nach seiner Befreiung gelangte Julius Wolff über die Schweiz in die USA, wo er 1965 verstarb. Sein Bruder Max und seine Frau Irma wurden am 24.08.1942 von Recebedou nach Drancy und von dort am 31.08.1942 mit dem Kovoi Nr.26 nach Auschwitz deportiert. Dort wurden Max und Irma Wolff vermutlich gleich nach ihrer Ankunft in Auschwitz – Birkenau am 02.09.1942 ermordet. Das Haus in der Hauptstraße 38 fiel nach der Deportation der letzten 3 Bewohner dann nach den NS – Gesetzen an den Staat und wurde dann vom deutschen Fiskus vermarktet.
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Rechercheergebnisse von: Adolf – Schmitthenner – Gymnasium, Neckarbischofsheim, Projektgruppe „Judentum im Kraichgau“, Realschule Waibstadt, Verein für Heimatpflege e.V., Neckarbischofsheim, SPD – Ortverein Neckarbischofsheim, Verein „Jüdisches Kulturerbe im Kraichgau e.V.“, veröffentlicht in einem Flyer zur Gedenkveranstaltung zum 79. Jahrestag der Zerstörung der Synagoge in Neckarbischofsheim am 9. November 2017