Die Synagoge
1746 wird eine Synagoge ("Judenschule") mit rituellem Bad in der Alten Rathausgasse genannt, die 1769 neu erbaut und bis 1848 genutzt wurde. Ende der 1830er-Jahre war diese Synagoge nach einem damaligen Bericht des Synagogenrates "in ihrem inneren Raume für die immer mehr anwachsende Seelenzahl so beschränkt, dass sie nicht alle Glaubensgenossen aufnimmt, und seit längerer Zeit in verschiedenen Privathäusern der Gottesdienst gehalten wird". Damals gehörten zur jüdischen Gemeinde schon fast 200 Personen.
Neubau der Synagoge [1][2][Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
1839/40 beschloss die Gemeinde den Bau einer neuen Synagoge. Zunächst wollte man hierfür ein Grundstück der Grafen von Helmstatt erwerben, für das allerdings 1840 noch kein Geld vorhanden war. Im Januar 1844 hatte man drei mögliche Bauplätze ins Auge gefasst und bat über das Bezirksamt Bauinspektor Greiff aus Heidelberg um eine Begutachtung. Bei dessen Besuch wurde ein erster Platz in der damaligen "Oberen Straße" gleich verworfen, zu den beiden anderen Grundstücken – eines in der Rathausstraße (heute Alte Rathausgasse), eines in der Wertwiese – meinte Greiff, dass er den Platz in der Wertwiese vorziehen würde. Er sei ansehnlicher und gesünder als der Platz in der Mitte der Stadt. Der Synagogenrat war über die Empfehlung nicht sehr glücklich, da man den Platz in der Rathausstraße lieber gesehen hätte. Einige Monate lang wurde in der Gemeinde heftig darüber diskutiert, welches Grundstück am geeignetsten wäre, wobei noch ein weiterer Platz am Seegarten erwogen wurde.
Im August 1844 einigte man sich endlich auf das zum Verkauf anstehende Anwesen des Johann Junker in der Schulgasse mit Haus und Scheune, das für 2.850 Gulden gekauft werden konnte (Anm.: der Begriff "Schul"gasse ist nicht von der späteren Synagoge = "Judenschule", da schon in den damaligen Kaufakten diese Straßenbezeichnung verwendet wird). Das Grundstück lag im Bereich der ehemaligen Stadtmühle (Bannmühle), der sogenannten alten Mühlhofstatt, damals noch außerhalb der Stadt. Baumeister Fritschi aus Rappenau hielt dieses Grundstück zum Synagogenbau für "tauglich" und erarbeitete in den folgenden Monaten einen Plan für die Synagoge, der von der Bezirksbauinspektion in Heidelberg genehmigt wurde.
Zum Bau der Synagoge in Neckarbischofsheim wurden im Januar 1845 vom Oberrat als Richtlinie vorgegeben, dass es in der Synagoge keine beweglichen Pulte mehr geben dürfe, sondern nur noch Reihen von festen Plätzen hintereinander. Diese müssten alle von Süden nach Norden verlaufen, sodass "die darauf Sitzenden das Augenlicht immer nach der Heiligen Lade gerichtet haben". Auch solle "die Tribüne mit dem Betpult" (Almemor) nicht mehr in der Mitte des Betsaales stehen, sondern "mehr nach Osten zu, in geringer Entfernung von der heiligen Lage..., sodass sich die Bänke für die Betenden nur zur Seiten und hinter derselben befinden".
Den Bauplatz erwarben die Juden vom Grafen von Helmstatt. Es war das Gelände der ehemaligen Stadtmühle und lag unmittelbar am alten Stadtgraben, also außerhalb der Stadt (in der heutigen Schulgasse am Synagogenplatz). Innerhalb der Stadtmauern gab es wohl kein geeignetes Gelände für die Synagoge, die mit einer Länge von 17,90 m und einer Breite von 11,90 mein stattliches Gebäude darstellte (die Größe entsprach fast dem Schiff der Stadtkirche). Für den Bau waren 10.000 Gulden veranschlagt. Ein hoher Betrag für eine Gemeinde, die nur aus 20 Familien bestand und keine Rücklagen besaß.
Anzeige zur Versteigerung der Gewerke für den Synagogenbau (1845)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Anzeige in der "Karlsruher Zeitung" vom 22. Februar 1845:
"Neckarbischofsheim (Arbeitsversteigerung). Zufolge höchst verehrlichen Erlasses, großherzoglich badischen Bezirksamtes und Oberrats der Israeliten, d.d. 14. Februar dieses Jahres, wird der unterzeichnete Synagogerat Dienstag, den 18. März dieses Jahres, morgens 10 Uhr, auf hiesigem Rathause nachstehende Arbeiten zum Neubau einer Synagoge dahier versteigern, welche im Kostenüberschlage betragen:
1) Grabenarbeit 37 fl. 50 kr. 2) Rostlegung 326 fl. 43 kr., 3) Maurer- mit Dach- und Schieferdeckungsarbeit 2433 fl. 6 kr. 4) Steinhauerarbeit 293 fl. 9 kr., 5) Zimmerarbeit 1255 fl. 2 kr. 6) Schreinerarbeit 949 fl. 22 kr. 7) Glaserarbeit 161 fl. 34 kr. 8) Schlosserarbeit 32 fl. 9) Schmiedarbeit 35 fl. 10) Tüncherarbeit 219 fl. 55 kr. Zusammen 5745 fl. 41 kr. Plan und Kostenüberschlag können in der Zwischenzeit sowohl als am Tage der Versteigerung bei dem unterzeichneten Synagogenrat eingesehen werden. Indem man die Steigerungsliebhaber einladet, dass sie sich am 18. März dieses Jahres, morgens 10 Uhr, dahier einfinden mögen, bemerkt man noch, dass Auswärtige sich durch gerichtlich beglaubigte Zeugnisse über ihre Gewerbskenntnisse und Vermögensverhältnisse auszuweisen haben. Auch werden an demselben Tage zwei alte Gebäude zum Abbruch versteigert.
Neckarbischofsheim, den 19. Februar 1845. Der Synagogenrath Bähm.*"
(Der Name des Synagogenrates ist ungewöhnlich, wurde eventuell verschrieben).
Finanzierung und Bau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Zimmermeister Grassinger von Bargen legte das günstigste Angebot in Höhe von 5593 Gulden vor. Im Mai 1845 wurde zur Finanzierung der Synagoge eine erste Umlage unter den Gemeindegliedern beschlossen. Da kein Fond oder sonstiges Vermögen in der Gemeinde vorhanden war, mussten die Kosten über Umlagen zusammenkommen. Ein Grundbetrag war von allen Gemeindegliedern zu bezahlen, der weitere Betrag richtete sich nach dem jeweiligen Vermögen. Die erste Umlage erbrachte von den 39 Familien zusammen 1204 Gulden. Da man im Januar 1847 mit den gesammelten Beträgen jedoch noch nicht einmal den Bauplatz bezahlt hatte, wurde der Bau auf 1848 verschoben und in diesem Jahr auch ausgeführt. Die Synagoge wurde im Blick auf eine weitere Zunahme der Gemeindegliederzahl großzügig gebaut. Sie hatte 150 bis 200 Sitzplätze für Männer und etwa 100 Plätze für Frauen auf der Empore.
Mit einer Länge von 17,90 m und einer Breite von 11,90 m war es ein stattliches Gebäude, das auch städtebaulich einen Akzent setzte (die Größe entsprach fast dem Schiff der Neckarbischofsheimer Stadtkirche). Da das Gebiet sumpfig war, musste das Gebäude auf einem Pfahlrost errichtet werden. Durch weitere Umlagen, Versteigern der Sitzplätze unter den Gemeindegliedern und die Einführung einer Erbschaftssteuer konnte der Bau im Laufe der folgenden Jahre finanziert werden. 1855 war noch eine Passivschuld von 4000 Gulden vorhanden, zu deren weiterer Abzahlung auch damals eine Umlage nötig war. Noch 1867 kam es wegen der Umlage für die Synagogen-Baukasse zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung.
Das Jahr, in dem die Synagoge fertiggestellt wurde, war für die Juden im Kraichgau eine kritische Zeit. Ausgehend von Missernten und damit verbundenen Teuerungen kam es im März und April des Jahres 1848 zu Agrarunruhen, die im ganzen Kraichgau und Odenwald mit Judenverfolgungen begannen. Der Aufruhr begannnn am 3. März mit dem Judenkrawall in Neckarbischofsheim. Diese Zwischenfälle konnten aber von der Polizei geschlichtet werden, und in der nachfolgenden Zeit scheint das Zusammenleben von Juden und Christen problemlos gewesen zu sein. Daher konnte die neue Synagoge 1848 feierlich eingeweiht werden.
Für das bis zur NS-Zeit jahrzehntelang gute Verhältnis zwischen Christen und Juden in Neckarbischofsheim spricht, dass noch bis 1936 die politische Gemeinde – wie seit wohl über 100 Jahren – unentgeltlich die Birken lieferte, mit denen zum jüdischen Wochenfest die Synagoge geschmückt wurde.
Die Ereignisse beim Novemberpogrom 1938[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
n der Pogromnacht im November 1938 wurde die Synagoge niedergebrannt. Bereits am frühen Morgen des 10. November war von etwa 25 SA-Leuten das Feuer gelegt worden. Das Inventar einschließlich der 14 Torarollen der Gemeinde, die teilweise über 100 Jahre alt waren, wurde auf auf dem alten Sportplatz verbrannt. Auch die jüdische Schule wurde zerstört und kurz darauf abgebrochen. Die Grundstücke wurden eingeebnet.
Samuel Jeselsohn, bis 1938 mehr als 25 Jahre letzter Vorstand der israelitischen Gemeinde Neckarbischofsheim, beschreibt die Vorgänge [3]
"So kamen die Ereignisse des 10. November 1938. Bis dahin hatten wir noch regelmäßigen Gottesdienst. Am 10. November morgens kurz nach 6 Uhr wurde ich aus dem Bett gerufen. Unten stand ein Gendarm, der mich aufforderte, sofort die Synagogenschlüssel herzubringen. Ich antwortete, sie seien in meinem Geschäftslokal im Nachbarhause, ich wolle mich sogleich anziehen und sie herbeiholen. Ich hatte keine Ahnung, was man beabsichtigte. Der Gendarm nahm die Schlüssel und bedeutete mir nach Hause zu gehen. Kurz nachher kam er wieder und holte mich zur Synagoge, wo auch andere Gendarmen und etwa 25 SA-Leute, die meisten derselben kannte ich persönlich, mich erwarteten. Der Gendarmerieälteste eröffnete mir, er hätte den Auftrag, die Synagoge zu durchsuchen. Ich antwortete, er könne dies tun, es sei nichts Staatsgefährliches drin. Den SA-Leuten bedeutete er kurz, sie sollen warten, bis er seinen Auftrag besorgt hätte. Er verlangte die Öffnung des Toraschreines, ließ die Torarollen herausnehmen und auf den Boden legen. Auch den Schrank mit den Gemeindeakten ließ er nach dem Vorgarten bringen. Dann kam der SA-Führer. Ich musste noch mit dem Gendarm zur Religionsschule, und erst dort entließ er mich. Aber vorher musste ich noch mit ansehen, wie ein ortsfremder SA-Mann damit begann, mit einer schweren Axt den Toraschrein zu demolieren.
Nach 1945[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der Verein für Heimatpflege nahm sich im Jahre 1974 des Grundstücks an, auf dem die Grundmauern der Synagoge noch zum Teil erhalten waren. Zwischenzeit/ich war an dieser Stelle die Schulgasse verlängert worden, so dass die Straße jetzt nahezu mitten durch den alten Grundriss des Gebäudes verläuft.
Bei Grabungsarbeiten für die Kanalisation wurde in den 1970er-Jahren ein Teil der Grundmauern (Kellermauern) der ehemaligen Synagoge freigelegt. Sie liegen heute unter der darüber führenden Schulgasse. Die nördlichen Grundmauern der Umfassungsmauern des Eingangshofes zur Synagoge sind erhalten. Hier wurde 1981 eine Gedenkstätte mit Menora und Gedenktafel eingerichtet. An der Ecke des ehemaligen Wohnhauses des Vorsängers (jetzt Schulgasse 9) steht ein Torpfeiler (linker Pfeiler des Eingangstores zum Eingang in das Gelände der Synagoge).
Seit 1974 erinnert der Heimatverein jedes Jahr am 9. November an diese schrecklichen Ereignisse in einer Gedenkfeier, die in den Abendstunden am Synagogenplatz stattfindet.
An gleicher Stelle wurde 2009 anlässlich dieser Gedenkfeier ein weiterer Stein als Mahnmal enthüllt. Er entstand im Rahmen eines Projektes der Erzdiözese Freiburg und der Evangelischen Landeskirche in Baden, um an die Deportation der badischen Juden am 22. Oktober 1940 zu erinnern. In jeder der 137 badischen Gemeinden beabsichtigt man einen solchen Stein aufzustellen. In einer Arbeitsgemeinschaft wurde der Neckarbischofsheimer Stein von 11 Schülern unseres Gymnasiums geplant und im Weilerer Steinbruch unter fachmännischer Aufsicht hergestellt.
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ http://www.alemannia-judaica.de/neckarbischofsheim_synagoge.htm
- ↑ Aufsatz von Thomas Mayer in "Neckarbischofsheim gestern und heute, 125 Jahre Verein für Heimatpflege
- ↑ Samuel Jeselsohn, Das Ende unserer Heiligen Gemeinde Neckarbischofsheim, und Heinz Teichert, Zur Geschichte des Judenfriedhofs im Mühlbergwald, in: Kraichgau 7 (1981) S. 237-238.