Ehemaliges Amtsgericht
Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Das Amtsgericht Neckarbischofsheim war von 1857 bis 1972 zunächst ein großherzoglich-badisches, dann baden-württembergisches Amtsgericht mit Sitz in Neckarbischofsheim.
Heute wird das Gebäude durch die Firma KVG Quartz Crystal Technology GmbH genutzt.
Das Amtsgericht Neckarbischofsheim wird im Hof- und Staats-Handbuch des Grossherzogthums Baden 1862 mit den zuständigen Amtsträgern und seinen Ortszuständigkeiten erwähnt.
Amtsgericht Neckarbischofsheim: Ortspolizei, Zivilprozess, freiwillige Gerichtsbarkeit, Erbhöfe [1][Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Durch das erste Organisationsedikt vom 4. Februar 1803 wurde in Baden eine dreistufige Gerichtsorganisation begründet mit dem Oberhofgericht (seit 1879 Oberlandesgericht) an der Spitze, den Hof- bzw. Kreisgerichten (seit 1879 Landgerichte) als mittlerer Instanz und den Ämtern (ab 1809 Bezirksämter bzw. standesherrliche Ämter) als unterer Instanz. Auf der untersten Stufe waren also Gerichtsbarkeit und Verwaltung nicht getrennt, bis durch die "Verordnung über die Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung in unterer Instanz" vom 18. Juli 1857 mit Wirkung zum 1. September 1857 selbstständige Amtsgerichte errichtet wurden. Ihnen oblagen Aufgaben der streitigen bürgerlichen Gerichtsbarkeit bis zu einem Streitwert von 200 Gulden, der Strafgerichtsbarkeit für bestimmte Vergehen bis zu einer Strafhöhe von 8 Wochen Freiheitsstrafe bzw. 300 Gulden Geldstrafe sowie der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Auf dem letztgenannten Gebiet waren die Amtsgerichte nicht unmittelbare Kompetenz-Nachfolger der Bezirksämter, sondern der Amtsrevisorate, die im Jahr 1809 für jedes Bezirks- bzw. Stadtamt für Aufgaben des Rechnungswesens und der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingesetzt worden waren. Die Amtsrevisoren wurden 1857 den neugebildeten Amtsgerichten zugeordnet, 1864 wurden sie ihnen als Gerichtsnotare unterstellt. Nach der Gründung des Deutschen Reichs 1871 wurden im Zuge der Vereinheitlichung der Justiz im Jahr 1879 die Gerichtsnotare ausgegliedert und es entstanden eigenständige staatliche Notariate. Die Sprengel der Amtsgerichte waren bzw. blieben im Lauf der Zeit nicht deckungsgleich mit den Bezirken der Ämter, deren Organisationsveränderungen durch Zusammenlegungen und Umgliederungen einzelner Orte sie nicht unbedingt mitvollzogen. Die Zahl der ursprünglich 66 Amtsgerichte wurde in den Jahrzehnten nach ihrer Gründung durch Auflösung einzelner kleinerer Gerichte zwar etwas reduziert, blieb aber bis zur großen Verwaltungsreform der 1970er Jahre im Vergleich zu anderen Behördenzweigen verhältnismäßig stabil. Die dem Reichsritterkanton Kraichgau zugehörig gewesene Stadt Neckarbischofsheim kam 1805/06 zu Baden und wurde 1807 dem Oberamt Waibstadt zugeschlagen, bis sie 1810 Sitz eines Amtes wurde, dem 1813 Waibstadt angegliedert wurde. Das Amt Neckarbischofsheim wurde erst 1813 mit Aufhebung der zahlreichen grundherrlichen Gerichtsverwaltungen umfassend mit den Aufgaben eines staatlichen Gerichts der Unterstufe betraut. Der gesamtbadischen Entwicklung folgend wurde 1857 das Amtsgericht Neckarbischofsheim gegründet. Während das Bezirksamt Neckarbischofsheim 1864 aufgelöst und dem Bezirksamt Sinsheim eingegliedert wurde, blieb das Amtsgericht Neckarbischofsheim bestehen. 1872 wurde es zwar aufgehoben und dem Sprengel des Amtsgerichts Sinsheim zugewiesen, wurde aber 1884 wiedererrichtet. Die endgültige Auflösung und Angliederung an den Amtsgerichtsbezirk Sinsheim erfolgte 1974.
Bestandsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Unterlagen des vorliegenden Bestandes kamen durch verschiedene Zugänge seit 1927 ins Generallandesarchiv Karlsruhe. Von kleineren Ausnahmen (Einzelakten, Kleinstzugänge) abgesehen wurden die Einlieferungen ab dem Zugangsjahr 1969 nicht mehr in den Grundbestand 280 integriert, sondern wurden zu eigenen Zugangsbeständen formiert. Der Bestand 280 war durch eine über Jahrzehnte hinweg entstandene Zettelkartei erschlossen. Im Jahr 2020 wurde die Kartei durch Frau Sandra Schleinitz konvertiert. Die Redaktionsarbeiten lagen beim Unterzeichneten. Der Grundbestand 280 beinhaltet die älteste Überlieferungsschicht des Amtsgerichts Neckarbischofsheim. In kurpfälzischer Zeit sind lediglich 5 Akten entstanden, die allesamt Reichartshausen betreffen, das zum Oberamt Heidelberg (Stüber Zent) gehört hatte. Wie bei der Konversion der Karteifindmittel der übrigen Gerichte wurde auch im vorliegenden Fall auf eine Herauslösung und Umsignierung nicht-fortgeführter Vorakten verzichtet, weil das nicht nur zur Formierung von kleinen Überlieferungssplittern geführt und die Wiederauffindbarkeit jahrzehntelang eingeführt gewesener Aktensignaturen erschwert hätte, sondern auch zusammengehörige Überlieferungsteile zerrissen hätte; für das Amtsgericht Neckarbischofsheim gilt das wegen seiner relativ unbeständigen Organisationsgeschichte in besonderem Maße. Durch die Binnengliederung des Findmittels wird auf die Vorgängerprovenienzen aus der Zeit des "Alten Reichs" hingewiesen.
Karlsruhe, im Oktober 2021 Dr. Martin Stingl