Familie Bloch
Jakob Bloch, Henni Bloch, Sara Bloch, Esther Bloch, Bona Bloch und Berta Manela lebten in der von-Hindenburg-Str. 3.
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Die Stolpersteine
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von-Hindenburg-Str. 3
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von-Hindenburg-Str. 3, heute
Ihr Leben und Wirken [1][Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Jakob Julius Bloch wurde am 21.09.1906 in Ihringen / Kaiserstuhl geboren. Er machte seine Ausbildung zum Rabbi in der Breuer yeshiva in Frankfurt a.M.. Ab dem 01.09.1930 war Jakob Bloch als Nachfolger von Heinrich Bloch Lehrer, Kantor und Schochet der jüdischen Gemeinde in Neckarbischofsheim. Jakob Bloch wohnte mit seiner Frau Henni und seiner Familie 5 Jahre zur Miete bei Philipp und Lina Belz in der von Hindenburgstraße 30.
Nach der Zerstörung der Neckarbischofsheimer Synagoge in den Morgenstunden des 10.11.1938 wurde Jakob Bloch zusammen mit Dr. Georg Hamburger verhaftet und in das KZ Dachau verschleppt. Dort wurde er gefoltert. In seinem Tagebuch schreibt er: „... Bereits am Bahnhof (Anm: = Neckarbischofsheim – Nord) schlugen diese Bluthunde meine obere linke Zahnreihe aus.“
Nach seiner Entlassung aus dem KZ Dachau 10 Tage später sah er so schlimm aus, dass Erna Beck, geborene Belz, ihn kaum wiedererkannte. Sie erinnerte sich 2010 daran, dass irgendetwas mit seinem Bart passiert sein musste. „Ich habe mir gedacht, was haben die mit dem Mann gemacht.“
Über den Morgen des 22.10.1940 steht in Jakob Blochs Tagebuch: „... Plötzlich wurde die Haustür geöffnet. Ich konnte die schweren Schritte mehrerer Männer hören, die die Treppe hinaufgingen. Der Führer der örtlichen Gestapo, Fritz Störzer, kam mit einem Polizisten, einem SA-Mann und einem SS-Mann zusammen. Er las unsere Namen vor und sagte dann: "Ihr seid alle hiermit verhaftet. Ihr müsst diese Wohnung und Stadt sofort verlassen. Ihr werdet nicht mehr hierher zurückkehren. Ihr dürft die notwendigste Kleidung mitnehmen. Beeilt euch, ihr müsst innerhalb einer Stunde fertig sein." ...“. Da seine Frau Henni an diesem Tag in Frankfurt war, fragte Jakob Bloch nach, ob Lina Belz ihm beim Packen helfen könnte. Danach wurde er zusammen mit seiner Familie nach Gurs deportiert.
Im Lager Gurs war er bis Anfang März 1941 und danach bis August 1942 mit seiner Familie im Lager Rivesaltes. In Rivesaltes starb seine Mutter Bona aufgrund der Lagerbedingungen. Dort war Jakob Bloch Mitglied der CLIO. Die Organisation CLIO half die medizinischen und sozialen Programme der OSE (= jüdische Hilfsorganisation) zu organisieren.
Von Rivesaltes gelang ihm mit seiner Frau Henni und seinen Kindern Sara und Esther am 03.12.1942 mit Hilfe von gefälschten französischen Pässen die Flucht in die Schweiz. Er war dabei gesundheitlich so angeschlagen, dass ein monatelanger stationärer Aufenthalt im Bürgerspital in Bern notwendig war.
Am 27.11.1946 – nach nahezu 4 Jahren Internierung in der Schweiz - konnte er mit seiner Familie über Italien in die USA auswandern. In den USA lebte und arbeitete er dann als Rabbi. Jakob Bloch starb im Dezember 1982 in Mosey, New York.
Henni (Jettchen, Hannchen) Bloch (geborene Weil) wurde am 06.07.1901 in Frankfurt a.M. geboren und wohnte ab 1930 mit ihrem Mann in Neckarbischofsheim zunächst in der von Hindenburgstr. 30 zur Miete bei Familie Philipp und Lina Belz. Sie führte einen streng koscheren Haushalt.
Erna Beck, geborene Belz konnte sich noch gut daran erinnern, zusammen mit Familie Bloch den Sabbat gefeiert zu haben. Sie berichtete auch von einer Zeitschaltuhr bei den Bloch, so dass diese am Sabbat kein Licht einschalten mussten. Sie hätte auch zugesehen, wie Frau Bloch kunstvoll die „Wimpel“ bemalt hat. In Deutschland war es üblich, dass für jüdische Jungen bei der Geburt ein „Wimpel“ angefertigt wurde. Diese Stoffbinde war oft ein kleines Kunstwerk auf dem neben dem Namen und dem Geburtstag auch gute Wünsche gemalt waren. Wenn der Junge etwa 3 Jahre alt war, wurde dieser Wimpel dann in die Synagoge gebracht. Henni Bloch brachte ihre beiden Töchter Sara und Esther in ihrer Heimatstadt Frankfurt a.M. zur Welt.
Am 22.10.1940 war sie in Frankfurt. Als sie von der Deportation benachrichtigt wurde, reiste sie sofort zu ihrer Familie und wurde dann mit ihnen zusammen vom Heidelberger Hauptbahnhof aus nach Gurs deportiert. Dort war sie bis März 1941 und danach im Lager Rivesaltes. Am 03.12.1942 gelang ihr mit ihrem Mann und ihren Kindern die Flucht in die Schweiz.
In den Akten des Schweizer Bundesarchivs wurde am 08.07.1943 folgendes vermerkt: „Die staatenlose Hanni Bloch, geb.6.7.1901, Kunstgewerblerin, hat vor einiger Zeit als Flüchtling illegal die Schweizergrenze überschritten. Die Ausschaffung ist zurzeit nicht tunlich. … Der obengenannte Flüchtling wird bis auf weiteres interniert. … Die Internierung erfolgt auf eigene Kosten, soweit Mittel vorhanden sind. ...“.
Ein anderes Dokument vom 26.10.1945 enthält ein ärztliches Zeugnis: „Frau Henny Bloch, 1901, ZL 6262, ist seit 3 Jahren im Lager. Im Jahre 1941 machte Frau B. einen schweren Typhus durch und ist seither stark schwerhörig. Pat. ist schwach, nervös, leidet unter Schwindel, Ohrensausen und klagt über Herzbeschwerden. Es ist medizinisch angezeigt, dass Frau Bloch vom Lager befreit wird.“.
Dennoch blieb sie bis zu ihrer Auswanderung am 27.11.1946 mit ihrer Familie im Flüchtlingsheim „Schweizerhof“ in Beatenberg (bei Bern) interniert. Henni Bloch starb im Januar 1989 in New York.
Sara Bloch (verheiratete Adler) wurde am 27.11.1935 in Frankfurt a.M. geboren. Die Nazis verschleppten sie mit ihrer Schwester Esther und ihren Eltern Henni und Jakob und ihrer Großmutter Bona am 22.10.1940 in das Lager Gurs.
Anna Braun, geborene Dolch, kann sich an die Deportation der Familie Bloch noch gut erinnern. Im November 2021 erzählte sie Bernhard Lorenz folgendes: „Wie die (Juden) fortgekommen sind, das hab ich gesehen. Wir waren am Brunnen vor dem alten Rathaus, da standen die Mädchen mit kleinen Koffern. Das waren schöne Koffer, sowas hatten wir nicht, wir waren ja arm. Die Mädchen mussten dann auf den Laster steigen und sie haben uns anderen eine lange Nase gemacht: Ätsch, wir dürfen Auto fahren. Wenn die gewusst hätten, was mit ihnen passiert“.
Im März 1941 kam die Familie Bloch in das Lager Rivesaltes. Vermutlich durch die Funktion ihres Vaters bei der Organisation CLIO konnte dieser erreichen, dass Mitarbeiterinnen des OSE die beiden Mädchen aus dem Lager retten konnten und sie im OSE-Heim „Chateau Masgelier“ unterbrachten. Sie wurden auf ihrer Flucht dann noch an anderen Orten versteckt. Mit wessen Hilfe schließlich am 03.12.1942 Dezember die Flucht gemeinsam mit ihren Eltern in die Schweiz nach Saint-Cergue nordwestlich von Nyon gelang, ist nicht bekannt. Sara Adler lebt im November 2022 in Brooklyn, New York. Sie bekam 11 Kinder (8 Söhne und 3 Töchter).
Esther Bloch (verheiratete Hirsch) wurde am 21.04.1938 wie ihre Schwester Sara in Frankfurt a.M. geboren. Sie war 2 ½ Jahre alt, als sie aus Neckarbischofsheim deportiert wurde. An die Deportation und die weiteren Stationen der Flucht immer zusammen mit ihrer älteren Schwester hat sie kaum Erinnerungen. Sie bekam 9 Kinder (3 Söhne und 6 Töchter) und lebt im November 2022 in der 310 South Grandview Ave. In Monsey, NY 10952.
Bona (Bonna) Bloch (geborene Rotschild) wurde am 18.05.1874 in Randegg im Kreis Konstanz geboren. Sie zog am 09.06.1938 aus Ihringen am Kaiserstuhl zu ihrem Sohn Jakob Bloch nach Neckarbischofsheim in die von Hindenburgstraße 3 (Melderegister Nr. 343). Am 22.10.1940 wurde sie zusammen mit Jakob Bloch und seiner Familie nach Gurs deportiert. Bona Bloch starb mit 67 Jahren aufgrund der furchtbaren Bedingungen im Lager Rivesaltes am 08.01.1942 und wurde dort auch beerdigt.
Berta Manela wurde am 17.2.1923 geboren. Sie stammte aus Allendorf an der Lumda (bei Kassel). Ihr Vater starb schon 1933. 1940 lebte sie als Hausangestellte bei der Familie von Jakob Bloch. Sara Adler, geborene Bloch konnte sich 2021 noch gut an „Bertl“ erinnern. Die Nazis verschleppten Berta Manela am 22.10.1940 mit der Familie Bloch in das Lager Gurs.
1941 brachten Mitarbeiterinnen der jüdischen Organisation OSE sie in das Heim der EIF in Moissac. Nach Beginn der Razzien der Vichy-Polizei nach jüdischen Kindern und Jugendlichen organisierten die Verantwortlichen für die Kinder Verstecke bei Familien oder versuchten ihnen die Flucht in die Schweiz zu ermöglichen. Berta Manela kam so am 23.8.1942 in das Ausbildungslager „Ferme École“ der EIF in Villemotier nördlich von Bourg-en-Bresse. An diesem Tag erfuhren die dortigen Helferinnen und Helfer von einer bevorstehenden Razzia und schickten die bedrohten Kinder und Jugendlichen in den Wald. Ein Rettungsversuch für Berta Manela in die Schweiz am 23.12.1943 scheiterte und sie musste nach Frankreich zurück. Aufgrund der Razzien musste das Ausbildungszentrum geschlossen werden. Einige Jugendliche, unter ihnen auch Berta Manela, fanden Unterschlupf in einem abgelegenen Bauernhof. Ihre Helferinnen wie Hélène Rulland gehörten zu den protestantischen Pfadfindern, die von dem Pastor Robert Cook geleitet wurden.
Am 19.5.1944 überfielen SS- und Gestapo-Einheiten den Unterschlupf. Fünf der jungen Leute wurden sofort erschossen. Paul Strauss, der Partner von Berta Manela, die im achten Monat schwanger war, zeigte seinen echten Ausweis mit dem Stempel „jüdisch“. Berta Manela dagegen ihren gefälschten Ausweis mit dem Namen „Béatrice Michel“ geboren in Wissembourg. Beide wurden nach Lyon gebracht. Während Paul Strauss im Fort Montluc inhaftiert wurde, kam Berta Manela aufgrund ihres gefälschten Passes am nächsten Tag frei.
Am Tag vor der Geburt seiner Tochter Danielle in Lyon am 30.6.1944 wurde Paul Strauss in das Lager Drancy und danach weiter in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Dort „starb“ er am 1.2.1945 wenige Tage nach der Befreiung des Lagers durch die sowjetische Armee in der Krankenstation des Lagers Auschwitz III – Monowitz.
Nach ihrer Freilassung tauchte Berta Manela mit ihrer Tochter Danielle in Frankreich unter. Nach der Befreiung erfuhr Berta Manela von der Ermordung ihrer Geschwister Heinz, Martin und Siegbert und ihrer Mutter Chaya. Die Nazis hatten ihre Mutter und Geschwister am 30.9.1942 von Allendorf/Kassel über die Konzentrationslager Thersienstadt und Treblinka in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Ihr Bruder Leo Manela wurde 1939 mit einem Kindertransport nach Großbritannien gerettet.
Über den weiteren Lebensweg von Berta Manela und ihrer Tochter ist nur bekannt, dass sie zweimal verheiratet war und nach dem Kieg in Frankreich lebte. Die damaligen Helferinnen und Helfer Robert Cook und Hélène Rulland werden 1990 bzw. 1984 von Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt.
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Rechercheergebnisse von: Adolf-Schmitthenner-Gymnasium, Neckarbischofsheim, Projektgruppe „Judentum im Kraichgau“, Realschule Waibstadt, Verein für Heimatpflege e.V., Neckarbischofsheim, SPD – Ortverein Neckarbischofsheim, Verein „Jüdisches Kulturerbe im Kraichgau e.V.“, veröffentlicht in einem Flyer zur Gedenkveranstaltung zum 84. Jahrestag der Zerstörung der Synagoge in Neckarbischofsheim am 9. November 2022