In verschiedenen Städten des Deutschen Kaiserreichs wurden seit 1910 sog. Blumentage ge-feiert. Es wurden die jeweils zum Tage passenden Kunst-Blumen verkauft, deren Erlös kran-ken und bedürftigen Veteranen "zum Besten" dienen sollte. Es gab Anemonen-, Heckenrosen- und Margeritentage.
Im Jahre 1911 wurde der Kornblumentag gefeiert. Er war etwas Besonderes, weil er als Fest-tag an die 40jährige Wiederkehr des Friedensschlusses im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 erinnerte. Einen verbindlichen Termin an dem die Blumentage abgehalten wurden gab es nicht. In Neckarbischofsheim einigte man sich darauf, diesen am Sonntag, den 14. Mai 1911 abzuhalten.
Für die Vorbereitung des Festes war der im Jahre 1872 gegründete Kriegerverein zuständig. Er war zu diesem Zeitpunkt neben dem Singverein, der Casinogesellschaft und der Feuerwehr einer der bestangesehensten Vereine des Städtchens. Sein erster Vorsitzender war Heinrich Neuwirth, ein naher Verwandter des Bürgermeisters und Landtagsabgeordneten Heinrich Adam Neuwirth.
Ein geschäftsführender Ausschuss, dem die Mitglieder des Verwaltungsrats des Kriegervereins, die Vorstände anderen Vereine, der Bürgermeister und Graf Victor von Helmstatt angehörten, bereitete die Festlichkeit vor. Allerdings ging es dabei nicht ganz so friedlich zu, wie man anlässlich der geplanten "Friedensfeier" hätte meinen können.
Im Jahre 1909 hatte sich in Neckarbischofsheim als jüngstes Mitglied der Turnverein gegründet und in der kurzen Zeit schon gezeigt, was er zu leisten vermag. In einer Organisationsbesprechung im April wurde neben der traditionellen Kirchenparade und den Festreden auf dem Marktplatz beschlossen, auch ein Volksfest abzuhalten. Zu diesem Zweck bot Graf von Helmstatt an, den, ansonsten nicht zugänglichen, Schlosspark zu öffnen. In einem "Gasthaus zur Kornblume" sollte im Park eine Bewirtung und verschiedene Darbietungen für die Bevölkerung gegeben werden. Bedingung aber war, dass sich nur der Krieger-, Musik- und Singverein an den Aufführungen im Park beteiligen durften. Das Organisationskomitee akzeptiert diese Bedingung. Nun hätte gerade der Turnverein mit seinen Darbietungen sicherlich zur Bereicherung der Veranstaltung beigetragen - er durfte aber nicht in den Park. In einer Turnratsversammlung brachte der erste Vorsitzende Friedrich Schäfer dies auch zum Ausdruck. Man sah darin eine Zurückweisung des jungen Vereins. Folglich beschloss man, am Abend des Kornblumentags in einer eigenen Veranstaltung auf die Bedeutung des Tages hinzuweisen und die "nationale Sache" mit einer Sammlung für die Veteranen zu unterstützen.
Das wiederum konnte nicht im Interesse der Organisatoren sein. Also schritt Bürgermeister Neuwirth als Vermittler ein. In einem Gespräch am 9. Mai einigte sich der Turnverein mit den Organisatoren darauf, dass man zwar am Vormittag an den Veranstaltungen teilnimmt, jedoch keine Vorführungen im Schlosspark macht. Für den Turnverein war das ein harter Kompromiss.
Das Fest begann mit Kirchenparade bei der die Teilnehmer mit Musik und Fahnen in die Stadtkirche einzogen. Danach wurde der Festgottesdienst gefeiert.
Kornblumentag am 14. Mai 1911 auf dem Marktplatz
Nach dem Kirchgang stellten sich die Vereine im offenen Viereck am Marktplatz auf. An der südlichen Seite die 14 Kriegsveteranen. Dabei waren auch die örtlichen Honoratioren sowie die Damen des Frauenvereins, die die Aufgabe des Blumen- und Kartenverkaufs übernommen hatten. Ihre Präsidentin war Gräfin von Helmstatt.
Der Musikverein spielte zur Eröffnung, bevor die Festreden mit einem Hoch auf seine Majes-tät den Kaiser endeten.
Der Singverein trat auf und sang seine patriotischen Lieder, und Stadtpfarrer Specht legte im Namen des Frauenvereins einen Kornblumenkranz zu Ehren der Gefallenen am Kriegerdenkmal nieder.
Man kann sich vorstellen, dass nicht nur die Neckarbischofsheimer Bevölkerung gespannt auf den Nachmittag wartete. Üblicherweise war der Schlosspark für die Bevölkerung nicht zugänglich, er war zu dieser Zeit Privatbesitz der Grafen. Da war es schon etwas Besonderes, wenn man zu einem Volksfest dort hinein durfte. So nimmt es nicht Wunder, dass der Park recht zahlreich besucht wurde.
Über dem Eingangstor hatte man ein Schild "Gasthaus zur Kornblume" angebracht. Neben der Bewirtung der Gäste sorgten auch der Musik- und der Singverein für deren Unterhaltung.
Gräfin Maria von Helmstadt, die Frau von Victor, war die Präsidentin des Frauenvereins und kümmerte sich federführend mit ihren Damen um den Verkauf der Kornblumen. Offensichtlich machten sie ein gutes Geschäft. Als im Dezember 1911 der Kriegerverein die Abrechnung vorlegte, betrug das Ergebnis 371,30 Mark, was heute etwa dem 5-fachen Wert in Euro entsprechen dürfte. Stolz vermerkte man beim Kriegerverein, dass es das beste Ergebnis im "Unter-Elsenzgauverein, Amtsbezirk Sinsheim" war. Von dem Erlös erhielten die Veteranen jeder 24 Mark, jede Witwe eines Veteranen noch 15 Mark Unterstützung. Für damalige Verhältnisse eine stolze Leistung.
Erstellt von Hans-Joachim Vogt
Quellen: Allgemeine Informationen zum Kornblumentag aus WIKIPEDIA
Protokollbücher des Krieger-, Turn- und Singvereins