Neckarbischofsheim im Dreißigjährigen Krieg
von Peter Beisel[1]
Einleitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im Sommer des Jahres 1617 wählten die böhmischen Stände auf dem Landtag in Prag den steirischen Erzherzog Ferdinand von Habsburg, den Bruder des Kaisers Mathias, zu ihrem König. Die Wahl war nicht ohne Schwierigkeiten zustande gekommen: vor allem die Calvinisten in Böhmen hatten dem Kurfürsten von der Pfalz den Vorzug gegeben. Ihnen lag an einer Verbindung mit der Führungsmacht des Calvinismus im Reich.
Der Fenstersturz von Prag am 23. Mai 1618 wurde dann zum Zeichen des Aufstandes gegen den König. Mehr als ein Jahr später, am 19. August 1619, erklärten die böhmischen Stände Ferdinand für abgesetzt. Eine Woche darauf wählten sie den Pfälzer Kurfürsten, Friedrich V., zu ihrem neuen König. Nur zwei Tage später, am 28. August, wurde Ferdinand zum Nachfolger des im März 1619 verstorbenen Kaisers Mathias gewählt.
Nach einigem Zögern nahm Kurfürst Friedrich die Wenzelskrone an und wurde im November in Prag gekrönt. Durch diese unwiderrufliche Verbindung des böhmischen Ständeaufstandes mit der Führungsmacht des deutschen Calvinismus war der Krieg in Deutschland unvermeidbar geworden. Der Kölner Kurfürst sollte mit seiner düsteren Prophezeiung recht behalten, man möge sich "auf einen zwanzig-, dreißig- oder vierzigjährigen Krieg gefaßt machen.".
Im November 1620, ein Jahr nach seiner Krönung, musste Friedrich V, der "Winterkönig", vor den anrückenden Truppen Österreichs aus Prag fliehen. Kurz darauf wurde die Stadt erobert. Die vom Kaiser angebotene Unterwerfung schlug Friedrich aus. Die Verhängung der Reichsacht im Januar 1621 und der Kriegszug der kaiserlichen Truppen gegen die Kurpfalz waren die Folgen.
1. Teil: Die Eroberung der "undern pfaltz"[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
1. Tillys Vormarsch in der Kurpfalz bis zur Schlacht von Mingolsheim[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Von der unteren Tauber vorstoßend umging Tilly die rechtsrheinische Pfalz im Norden und rückte dann im November 1621 von der Bergstraße nach Ladenburg und Handschuhsheim vor. Bei Ladenburg wurde der Neckar überquert und in Neckarhausen ein Brückenkopf gebildet. Anschließend setzte Tilly auf der rechten Neckarseite seine Truppen in Richtung Mosbach in Marsch. Ende November war die Linie Schönau-Mosbach von den Truppen Tillys besetzt. Von dort rückte er nach Wimpfen vor.
Eroberung des Kraichgaus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Nach Verhandlungen stimmte die Stadt, die nicht zur Kurpfalz gehörte, einer Besetzung durch Tillys Truppen im Januar 1622 zu. Im März begann er dann, den Kraichgau zu erobern. Auf nennenswerten Widerstand traf er dabei nicht. Am 6. März war Tilly zum ersten Mal in Bischofsheim, um dann vom 9. März bis 4. April sein Hauptquartier in unserem Städtchen aufzuschlagen.
Von hier aus drangen Tillys Truppen über die Elsenz vor. In Reihen, Steinsfurt, Hoffenheim und Meckesheim wurde der Fluss überschritten und die Übergänge durch Truppen abgesichert. Sinsheim blieb vorerst noch in pfälzischer Hand.
Im Gegenzug rückte Markgraf Georg Friedrich von Baden, der auf der Seite der Pfälzer stand, über Bretten bis Adelshofen vor. Ein Zusammenstoß mit Tillys Truppen wurde nur knapp verhindert. Außerdem rückten in zwei Stoßkeilen Pfälzer Truppen in Richtung auf Tillys Hauptquartier vor. Der eine kam zwar bei der Brücke von Meckesheim am 1. April zum Stehen. Der zweite Stoßkeil mit pfälzischer Reiterei drang jedoch - offensichtlich über Sinsheim - am 3. April bis Ober- und Untergimpern vor und bedrohte Bischofsheim von Osten. Tilly verbrachte die Kriegskasse nach Wimpfen und verlegte sein Hauptquartier nach Waibstadt. Die beiden unter Tillys Oberbefehl stehenden Reiterregimenter Pappenheim und Eynatten überfielen die Pfälzer im Raum Obergimpern/Untergimpern, warfen sie weit über die Elsenz und den Kraichbach zurück und verfolgten sie schließlich bis auf badisches Gebiet bei Durlach.
Tilly begann nun, systematisch den Kraichgau zu erobern und seine Truppen in Richtung Heidelberg vorzuschieben. Am 8. April öffnete Eppingen seine Tore, drei Tage später - nach kurzer Beschießung – Sinsheim.
Der Steinsberg und Waldangelloch folgten.. Neckargemünd, das eine Übergabe ablehnte, wurde belagert und erobert. "Die Besatzung" wurde "samt Bürgern Weib und Kinder mehrentheils umbbracht und ausgepfündert." Die Belagerung des Dilsberg wurde abgebrochen, nachdem Tilly die Nachricht über Truppenkonzentrationen der Pfälzer erhalten hatte. Über Sinsheim - noch war der Weg über Heidelberg versperrt - zogen seine Truppen nach Wiesloch.
Schlacht bei Mingolsheim[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Am 27. April kam es bei Mingolsheim zur Schlacht, die für Tilly ungünstig verlief und ihn zum Rückzug nach Wimpfen zwang. Die Nachhut wurde bei Eichtersheim von badischen Truppen gestellt und aufgerieben. Die Gefangenen wechselten den Kriegsherrn und traten in badischen Dienst.
2. Die Schlacht bei Wimpfen und das Ende des "böhmisch-pfälzischen Krieges"[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Georg Friedrich von Baden hatte am 22. Januar 1622 den Obersten Pleickard von Helmstatt zum "General-Kriegskommissar für Unterkunft und Verpflegung aller Truppenteile" ernannt, nachdem er ihn bereits im Spätjahr 1621 beauftragt hatte, ein Regiment von 3.000 Mann anzuwerben.
Pleickard von Helmstatt war der Sohn des pfälzischen Geheimrats und Marschalls Johann Philipp von Helmstatt, der in Bischofsheim residierte und im Jahr 1594 gestorben war. Sein Grabmal befindet sich in der Totenkirche auf der rechten Seite im Chor, zusammen mit denen seiner beiden Gemahlinnen. Wie sein Vater bekleidete Pleickard von Helmstatt seit 1600 das Amt eines pfälzischen Marschalls. Zu Spannungen zwischen ihm und seinem Landesherrn kam es wegen des unterschiedlichen Bekenntnisses.
Pleickard war - wie der Kraichgauer Adel - lutherischen Bekenntnisses, während die Kurpfalz seit 1563 calvinistisch war. Im Jahr 1604 wurde Pleickard von Helmstatt als Marschall verabschiedet, nachdem er von sich aus gekündigt hatte, blieb aber in kurpfälzischem Dienst und wurde 1608 Viztum (Stellvertreter des Landesherrn) in Neustadt in der Pfalz. Als Tillys Truppen in der Pfalz vorrückten, finden wir Pleickard von Helmstatt mit einem Freifähnlein (später "Kompanie") von "250 Köpf" im Raum Germersheim/Neustadt. Diese Truppen brachte er wohl in den badischen Dienst mit. Sein neuer Dienstherr war - wie Pleickard - lutherischer Christ.
Pleickard von Helmstatt war nicht der einzige Helmstatt in badischem Dienst. Neben ihm, der den Befehl über das "Regiment Helmstatt" hatte, gab es noch vier weitere dieses Kraichgauer Adelsgeschlechtes.
Noch während Tilly bei Wiesloch lag, drangen badische Truppen in den Kraichgau vor. Am 29. April traf Markgraf Georg Friedrich vor Sinsheim ein, dessen Besatzung tags darauf die Stadt übergab. Am 2. und wohl auch am 3. Mai war des Markgrafen Hauptquartier in Bischofsheim. Am 4. Mai zog Georg Friedrich dann nach Schwaigern weiter, um von dort gegen Wimpfen vorzurücken.
Schlacht bei Bad Wimpfen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Bei Wimpfen hatten sich mittlerweile die Truppen Tillys mit denen des spanischen Generals Córdova vereinigt. Damit standen der 10.500 Mann starken Armee der Pfälzer und ihrer Verbündeten über 17.000 Mann feindliche Truppen gegenüber.
Die Schlacht selbst begann am Morgen des 6. Mai und zog sich zunächst bis 11 Uhr hin. Es folgte eine - nicht vereinbarte - Feuerpause bis 14 Uhr. Am Nachmittag machte sich dann die übermacht der Truppen Tillys und Córdovas immer stärker bemerkbar. Um 18 Uhr begann der Rückzug der badischen Truppen. Von der Wagenburg aus leistete das "Regiment Helmstatt" mit anderen Regimentern bis zuletzt Widerstand. Wenn es in einem Bericht heißt: "Der Oberst Helmstädt hat sich mit dem weißen Regiment gewehrt bis auf den letzten Mann", so weist dies auf die hohen Verluste der Truppen unter Helmstatts Befehl hin.

Nach der Schlacht bei Wimpfen gab es keinen Waffengang in der Pfalz mehr. Tilly eroberte mit seinen Truppen die rechtsrheinische Pfalz. Am 15. September 1622 kapitulierte Heidelberg.
Bischohfsheim in der ersten Hälfte des Krieges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Wie war es den Bischofsheimern in diesem ersten Teil des Dreißigjährigen Krieges ergangen? Schmitthenner schreibt in seinem Brandbüchlein:
"Während der ersten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges blieb Bischofsheim verschont." Wenig später merkt er jedoch an: "übrigens sind 1622 im Totenbuch 90 Verstorbene aufgeführt, während sich sonst die Zahl zwischen 10 und 30 hält." Es waren sogar 97 Menschen, die in diesem Jahr starben, davon 86 im zweiten Halbjahr, also in der Zeit nach der Schlacht bei Wimpfen. Von diesen 86 Toten sind jedoch nur 43 von Bischofsheim, die anderen sind Auswärtige. Wenn auch die Zahl der auswärtigen Toten von November an zurück ging, so wurden dennoch bis Ostern 1623, Auswärtige in Bischofsheim beerdigt. Bischofsheim war also in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 1622 mit Flüchtlingen überfüllt. Sie kamen nicht nur aus den unmittelbaren Nachbargemeinden wie Flinsbach, Heimstadt, Epfenbach, Untergimpern, Adersbach, Hasselbach, Ehrstädt, sondern auch aus Wollenberg, Reichartshausen, Spechbach, Eschelbronn, Mönchzell, Langenzell, Meckesheim, Babstadt, ja sogar aus Wimpfen waren Flüchtlinge in unserer Stadt.
Flüchtlinge in Bischofsheim[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Es werden sicher - wie später im Jahr 1634 - 2.000 oder mehr Menschen gewesen sein, die in dem kleinen Städtchen auf engstem Raum zusammenleben mussten und die in ständiger Angst vor den Übergriffen der Soldaten lebten. Von Übergriffen auf Personen erfahren wir zwar nichts, aber Geld und Gut wurden angetastet. Hasselbach und Kälbertshausen konnten den Zehnten an Bischofsheim nicht mehr entrichten, "denn die Soldaten haben die frucht im feld hinweggenommen." Die Kasse der Kirchengemeinde, in der neben Rechnungsunterlagen auch "etlich gelt" war, wurde von Soldaten geraubt. Man hatte zunächst versucht, sie bei Ludwig Carl von Helmstatt "in seim gewölb" (also im Erdgeschoss des Schlosses) zu verwahren, aber Ludwig Carl meinte, das Schloss sei nicht sicher, und so verwahrte man das Geld zwischen dem Gewölbe und dem Zwischenboden der Stadtkirche. Die Soldaten haben jedoch den "heimblich ortt gefunden". Sie brachen durch die Außenmauer ein Loch in die Kirche und stahlen die Truhe. Fünf Batzen bekam Rupert Kaul von der Kirchengemeinde, damit er die Öffnung wieder zumauerte. Der Verlust der Kasse wog schwer, denn die Kirchengemeinde besoldete nicht nur den Pfarrer, sondern auch den Schulmeister, den Meßner, die beiden Totengräber und die beiden Rechner der Gemeinde.

Gegen Ende des Jahres 1622 scheinen die ersten Flüchtlinge wieder in ihre Dörfer zurückgekehrt zu sein, aber die letzten sind erst gegangen, nachdem das Frühjahr angebrochen war, denn noch immer war es außerhalb der schützenden Stadt recht unsicher. Auch 1623 wurde in Kälbertshausen das wenige Getreide, das angebaut werden konnte, schon auf dem Feld von den Soldaten geraubt. In Hasselbach wurde ein Teil der Felder gar nicht bestellt, ja selbst in Bischofsheim fiel die Ernte mager aus, da viele Felder "wegen des Kriegswesens wüst gelegen, und nit können gebawt werden." Die Kirchenrechner wurden beim Erheben des Zehnten in Bargen mehr als einmal von Soldaten verjagt. Gegen Plünderungen versuchte man sich etwas abzusichern, indem man Getreide aus der Zehntscheune auf den Kirchenspeicher brachte.
Eine Hungersnot herrschte offensichtlich in beiden Jahren nicht, denn sowohl 1622 als auch 1623 konnte Getreide unter anderem nach Neckargemünd verkauft werden. Für die Rechner war das nicht immer ganz einfach, denn durch die Inflation der zurückliegenden Jahre war zweierlei Geld im Umlauf, "gut gelt" und "schlecht gelt". Das "schlechte Geld" war dadurch entstanden, daß man den Münzen das Silber entzog und durch Kupfer ersetzte. Das Getreide, das nach auswärts verkauft wurde, wurde meist mit "Reichstalern, schlecht gelt" bezahlt, das dann in "gutes Geld" umgerechnet werden musste. Im Lauf des Jahres 1623 wurde dann das minderwertige Geld aus dem Verkehr gezogen.
Wirtschaftliche Gesundung Bischofsheims[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Spätestens im Jahr 1624 scheinen sich die Verhältnisse für Bischofsheim und seine Nachbarn wieder normalisiert zu haben. Im Jahr 1628 konnte die "Praedikatur", die "zweite Pfarrstelle" wieder besetzt werden, die seit 1613 verwaist war. Neuer "Diaconus", wie der zweite Pfarrer genannt wurde, wurde Johann Zacharias Esther, seit 1620 Schulmeister. Er war ein Sohn des Pfarrers Johann Melchior Esther, der seit 1594 in Bischofsheim tätig war und im Oktober 1624 starb. Offensichtlich war also die wirtschaftliche Lage so gut, dass wieder zwei Pfarrer besoldet werden konnten, auch wenn Esther ein Jahr zusätzlich das Amt des Schulmeisters versah. Für eine wirtschaftliche Gesundung spricht auch die Tatsache, dass man in Heilbronn ein "Örgelin" für die Stadtkirche bauen ließ, wohl das erste Instrument, das in der Stadtkirche aufgestellt wurde.
Die Normalisierung des Lebens und die damit verbundene wirtschaftliche Gesundung unseres Städtchens und des Umlandes war dadurch möglich, dass der zweite Teil des Dreißigjährigen Krieges, der "niedersächsisch-dänische Krieg" (1624-1629) sich in der Ferne abspielte. Nur einmal, im September 1627, tauchten Reiter in unserer Gegend auf, ohne dass das Städtchen davon beeinträchtigt wurde. Der dritte Teil des Krieges, der "schwedische Krieg" (1630-1634), trug dann das Kriegsgeschehen wieder in unsere Heimat.
2. Teil: Unter dem Joch des Krieges - die Jahre 1630 bis 1648[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Am 6. Juli 1630 landete König Gustav Adolf von Schweden mit 10.000 Mann zu Fuß und 3.000 Reitern auf der vor Pommern liegenden Insel Usedom. Von hier stieß er 1631 in das Gebiet des deutschen Reiches vor. Am 18. September kam es bei Breitenfeld, unweit von Leipzig, zur Schlacht, die mit einer vernichtenden Niederlage Tillys endete. Gustav Adolfs Truppen stießen nach Südwestdeutschland vor. In einem Gefecht am Lech wurde Tilly tödlich verwundet (1632). In der Schlacht bei Lützen am 16. November 1632 wurden die Kaiserlichen abermals besiegt, aber Gustav Adolf fiel in diesem Treffen.
In den Kirchenbucheinträgen des 17. Jahrhunderts finden wir keine Hinweise auf die große Politik, selbst das Ende des Krieges wird nicht erwähnt. Gustav Adolfs Tod jedoch ist eingetragen, fast so, als wäre er in Bischofsheim gefallen: "In diesem 1632 Jahr 6. und 7. November ging die blutige Schlacht zwischen dem Kaiser und Schweden bei Lützen nahe von Leipzig vor, da zwar der große, fromme Held, der König aus Mittnacht [=Norden] Gustavius Adolphus Rex Suedia [=König von Schweden] den Sieg vom Feld behalten. Aber dabei um des Evangeliums willen sein teuer königlich Blut und Leben lassen müssen. Gott belohne ihm im Himmel solches ewiglich und tröst uns. Amen."
Hoffnungen auf den Schwedenkönig[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Auf den Schwedenkönig hatte man auch im Kraichgau große Hoffnungen gesetzt, nachdem der Krieg wieder ins Land zurückgekehrt war: Am 2. Januar 1632 war Agnes Philippina von Helmstatt "uff der flucht allhie gestorben." Ihr Vater, Peter von Helmstatt, hatte in der Schlacht bei Wimpfen im "Regiment Helmstatt" auf badischer Seite gekämpft. Im April starb Ludwig Carl von Helmstatt, auf der Flucht vor kaiserlichen Truppen in Gemmingen. Seine Grabinschrift in der Totenkirche hebt hervor, daß er "in wahrem Glauben an Jesum Christ" verstarb. Ludwig Carl war "Ausschuss und Rat" der Freien Reichsritterschaft des Kantons Kraichgau. Seine jüngste Tochter Maria Dorothea wurde 19 Wochen nach des Vaters Tod im Exil geboren. Schließlich verstarb im Oktober in hohem Alter der Eschelbronner Pfarrer Georg Liebler "als ein von Papisten vertriebener." Liebler, Sohn eines Tübinger Professors der Physik, war von 1607 bis 1613 Prediger in Bischofsheim gewesen, bevor er in Eschelbronn "zum Pfarrherr promovirt und angenommen" wurde.
In der näheren Umgebung von Bischofsheim hielten sich also im Jahr 1632 wieder Soldaten auf. Mit dem Heer waren zugleich die Marketender unterwegs, welche die Soldaten mit allem Notwendigen versorgten. Außerdem gehörten zum Tross die Frauen und die Soldatenkinder. Die Väter brachten die Neugeborenen in eine nahe gelegene Kirche zur Taufe. Im Jahr 1632 wurden drei Soldatenkinder in der Stadtkirche getauft.
Bischofsheim verteilt Almosen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Das Jahr 1633 brachte für die Bevölkerung unseres Gebietes noch einmal eine Atempause, aber die vom Krieg Gezeichneten zogen durch unser Städtchen. Lang ist die Liste derer, die ein Almosen aus der Kasse der Kirchengemeinde erhielten: "Eine arme Pfarrwitwe, deren Mann in der obern Pfalz vertrieben worden" ist ebenso dabei, wie eine arme Witwe vom Adel mit ihrer kleinen Tochter. Auch ein armer Soldat gehört zu den Almosenempfängern und eine Frau, deren Familie umgekommen ist oder ein geflohener Adeliger aus der Steiermark, ein armer Mann aus Rieben, eine arme Frau aus Knittlingen, um nur ein paar zu nennen.
In der zweiten Hälfte des Jahres 1634 zogen dann kaiserliche Truppen in unserer Gegend auf. Ende August musste Pfarrer Johann Ulrich Pauli fliehen, verjagt von den Soldaten. Anfang Oktober kehrte er zurück und trug im Kirchenbuch die Toten nach, die während seiner Abwesenheit verstorben waren. Ein Soldat ist dabei und zwei Soldatenkinder, aber auch Leute von auswärts. Das Städtchen füllte sich - wie 1622 - mit Flüchtlingen. Im Dezember wird ein weiteres "Soldatenkind!" begraben, das in der Totenkirche gefunden wurde und kurz vor Weihnachten "starb ein fremder Mann von Gimpern." Am gleichen Tag wurde ein Mädchen getauft, das "zwischen hier und Weybstatt in großer grimmiger Kält gebohren" wurde. Der Vater war Offizier im Rainachischen Regiment.
Der Krieg kommt nach Bischofsheim[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Vier Tage später am "heiligen Christtag", brach dann der Krieg mit seiner ganzen Brutalität über das Städtchen mit seinen Einwohnern und Flüchtlingen herein. Die kaiserlichen Reiter überfielen die Stadt während des Weihnachtsgottesdienstes, an dem über 2.000 Menschen teilnahmen. Sie ritten in die Kirche, schossen umher, schlugen auf die Leute ein, raubten sie aus - sogar die Kleidung nahmen sie mit- und plünderten im Städtchen, so viel sie forttragen konnten.
Das war jedoch erst der Auftakt. Am St. Stefanstag kamen sie zum zweiten Mal, wieder während der Gottesdienstzeit. Man versuchte, sie eine Zeitlang am Tor aufzuhalten, aber die Soldaten verschafften sich mit Gewalt Zugang. Sie störten den Gottesdienst der Gemeinde, die gerade das Abendmahl feierte. Sie schlugen auf die Menschen in den Straßen ein. Zwei Frauen wurden getötet, der Schultheis Wolfgang Neher im Schloss erschlagen. Eine Woche lang konnte er nicht bestattet werden. Die Frauen wurden geschändet, "ohne Unterschied, auch alte, hochbetagte Weiber und kleine theils 10, 11, 12jährige maydlin", wie es in einem Bericht von Pfarrer Pauli heißt. Elf Tage lang wurde die Stadt geplündert. Die Getreidevorräte wurden weggebracht und was die Soldaten nicht fortschleppten, verdarben sie in der Stadt. Eine Frau wurde als Geisel genommen. Im Januar kehrte sie zurück und starb an den Folgen dessen, das sie hatte erleiden müssen. Bereits wenige Tage vorher war ein Mann begraben worden, den die Reiter so zugerichtet hatten, daß er an den Folgen seiner Verletzungen starb.
Schultheis Wolfgang Neher war nicht der einzige, der unbestattet liegen blieb. Eine Frau, von den Reitern erschlagen, wurde erst "lang hernach begraben". Zwei weitere Tote lagen 14 Tage in den Häusern. Die Menschen hatten Angst hinaus zu gehen. Da das hintere Tor verbrannt war, hatten die Soldaten bei Tag und Nacht ungehinderten Zutritt. Daß die Angst der Leute begründet war, wurde an Johann Zacharias Esther deutlich.
Der ehemalige Bischofsheimer Diaconus, der seit 1633 Pfarrer in Heimstadt war, befand sich unter denen, die nach Bischofsheim geflüchtet waren. Ende Januar lag er krank im Praedikaturhaus. Dort holten ihn Soldaten aus dem Bett und misshandelten ihn so, dass er starb. Etwa zwei Wochen zuvor war der Schultheis von Flinsbach "übel erschlagen" worden.
Bestattung vieler Namenloser[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Namenlos blieben viele, die bei der Totenkirche zur letzten Ruhe bestattet wurden: "eine alte Frau aus Adersbach", "ein Mann aus Bargen", "ein fremdt bublin", "ein fremd bettelmädlin", "ein Soldat". Und selbst in diesen schweren Zeiten blieb der Waibstadter Friedhof Andersgläubigen verschlossen; ein alter Mann "von Gimpern starb zu Waybstatt und wahrd hie begraben."
Die Kinder, die in diesem Chaos geboren wurden, hatten kaum eine Chance zu überleben. Von den 23 Bischofsheimer Kindern, die 1634 zur Welt kamen, überlebten nur fünf. 1635 wurden nur acht Kinder geboren, die alle starben und von den 12 Kindern des Jahrgangs 1636 überlebte nur eines.
Und dann kam die Pest. Schon "Anno 1634 hat die seuch eingerissen", ihre volle Gewalt aber erst im folgenden Jahr entfaltet. Der Hunger hatte ihr Auftrieb gegeben. Mitten in dem großen Sterben starb auch Pfarrer Johann Ulrich Pauli, "nachdem er etlich mahl von den Soldatten geplündert, verjagt, geängstigt und gestribulirt worden, zu Wimpffen, dahin er das letzte mahl geflohen.".
Valentin von Helmstatt übertrug die Pfarrei an Johann Nagengast. Auch er hatte es am eigenen Leib erfahren, aus dem Amt vertrieben zu werden. Zuletzt war er Pfarrer in Adersbach, aber diese Gemeinde war durch Krieg und Pest klein geworden. Er war wohl mit dem Rest seiner Gemeinde schon im Spätjahr 1634 nach Bischofsheim geflüchtet. 243 Tote zählte man am Ende des Pestjahres 1635, davon viele Flüchtlinge aus den umliegenden Dörfern. Es ist kaum vorstellbar, dass in diesen chaotischen Verhältnissen auch geheiratet wurde. Mit zehn Trauungen lag die Zahl sogar verhältnismäßig hoch. Neben Einheimischen waren es Flüchtlinge aus Nachbargemeinden, die eingesegnet wurden, aber es kamen auch Brautpaare von auswärts, um in Bischofsheim getraut zu werden, wohl deswegen, weil viele Pfarrer vertrieben waren. Georg Koler aus Neuburg an der Donau, der in der Stadtkirche seine Anna Felicitas aus Crailsheim heiratete, hatte wohl der Krieg hierher verschlagen.
Auswirkungen des Krieges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Um die Jahresmitte kehrten die meisten Flüchtlinge wieder in ihre Dörfer zurück, obwohl im Juli und August noch immer Reiter in der Gegend lagen. Anfang August war "ein gantz Regiment zu fueß" in Bischofsheim einquartiert. Das Verhältnis zwischen dem Militär und der Bevölkerung scheint nicht immer schlecht gewesen zu sein, denn immer wieder finden wir bei den Taufen einheimischer Kinder Soldaten als Paten. Im Jahr 1636 ließ die Pest "durch Gottes Gnade" nach, wie im Kirchenbuch vermerkt ist, aber normale Verhältnisse kehrten bis zum Kriegsende nicht mehr ein. Zwar brachte dieses Jahr mit 25 Trauungen einen regelrechten Heiratsboom, aber in diesem und dem folgenden Jahr steht hinter manchen Beerdigungseinträgen: "ist Hunger gestorben.". Außerdem lag über ein halbes Jahr eine schwäbische Reiterkompanie im Städtchen oder in der näheren Umgebung. Ihre Streifzüge durch den Kraichgau nutzten einige von ihnen, um eine Frau zu finden. So heiratete Hans Ruff aus Lindau die Witwe Barbara Klingmann aus Schatthausen (im Pfarrhaus eingesegnet), während im Haus des Anwalts Hans Feißler der Reiter Georg Walter aus Schaffhausen mit Anna Maria aus "Sintzen" getraut wurde.
Im Spätjahr 1637 waren Truppen in Waibstatt einquartiert. Ein Corporal, der dort starb, wurde bei der Totenkirche "mit Gesang und Klang christlichem Gebrauch nach zu seinem Ruhebettlein begraben.".
Überfall der Kroaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im darauf folgenden Jahr überfielen Kroaten den Ort. Im inneren Schloss, der Alexanderburg, wurde des Junkers Knebel Sohn Hans - die Familie lebte als Flüchtlinge hier - durch den schwedischen Trunk "jämmerlich verprant und umbgebracht." [2]. Das Städtchen wurde geplündert. Ein zweiter Mann wurde mit Schlägen und dem "schwedischen Trunk" gefoltert und starb ein halbes Jahr später an den Folgen. Diesmal waren es Bürger aus Bischofsheim, die "wegen des Kriegsvolks geflohen" sind und in Waibstadt eine Zuflucht fanden. Im Oktober lag dann wieder ein Regiment Soldaten in Bischofsheim.
Die Not dieser Kriegsjahre lassen sich am deutlichsten an der Zahl der Geburten ablesen. Vier Kinder wurden 1638 geboren; zwei davon kamen tot zur Welt. Im folgenden Jahr waren es nur zwei Kinder. Dazu wurde noch je ein Kind aus Adersbach und Flinsbach getauft, denn beide Pfarreien hatten seit 1634 keinen eigenen Pfarrer mehr.
Zu einem Gefecht unweit des Städtchens kam es am 4. November 1639. Von einer "Armee umb Speyr gelegen" war ein Trupp in den Kraichgau vorgedrungen, um Lebensmittel zu erbeuten. Sie stießen dabei auf Soldaten, die in oder bei Bischofsheim lagerten. Einer der Angreifer fiel in dem Gefecht, die anderen suchten wohl ihr Heil in der Flucht.
Im Winter 1640/41 lag ein württembergisches Regiment zu Fuß in Waibstadt. Ein 33jähriger Leutnant, Conradt Speth aus Schorndorf, starb dort und wurde nach "Soldaten Manier" begraben. "Weil er seiner Lehr und Religion beständig verblieben ist", wurde sogar eine Leichenpredigt gehalten, eine besondere Anerkennung, die Calvinisten nicht zuteilwurde; man hat sie "ohne Gesang und Leichpredigt" begraben.
1644 kam der Krieg erneut nach Bischofsheim[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Zwei ruhigere Jahre folgten, bevor der Krieg noch einmal in seiner ganzen Härte zurückkehrte. 1644 lag das Wintterscheidische Regiment zu Fuß aus Bayern in Bischofsheim, während in Waibstatt eine württembergische Kompanie Reiter unter dem Obristen Bamberg lag. Das Gailingische Reiterregiment kam - vermutlich im Spätjahr - ebenfalls in unsere Gegend. Ob es zu Gefechten kam, ist nicht mehr feststellbar, aber das Städtchen füllte sich wieder mit Flüchtlingen. Sie kamen aus Unter- und Obergimpern, aus Heimstadt, Flinsbach, Bargen, Wollenberg, Daudenzell und sicher auch aus Adersbach und Hasselbach; sogar von Bonfeld und Fürfeld waren Leute nach Bischofsheim geflohen.
Die Truppen - oder zumindest ein Teil von ihnen - blieben wohl über den Winter, denn im Februar starb hier "eines Soldatten Kindt". Die Bayerischen Reiter haben sich mit Sicherheit noch bis in das Spätjahr 1645 in unserer Gegend aufgehalten, denn im Mai des folgenden Jahres gab eine Mutter als Vater ihres Kindes einen "Bayerischen Reütter" an.
Dazwischen lag der Überfall der Franzosen auf Bischofsheim. Frankreich, das seit dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges hinter den Kulissen gegen Habsburg gearbeitet hatte, erklärte 1635 formell den Krieg.
Überfall der französischen Armee auf Bischofsheim[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im August 1645 lag eine französische Armee vor Heilbronn. Von dort kam sie am Ende des Monats mit 2.000 Pferden nach Bischofsheim. Im Nu hatten sie die Mauern bestiegen und schossen in die Stadt, wobei Christian Haug und Hans Eberburger umkamen. Die Bevölkerung wurde in das Schloss getrieben - es ist wohl der ummauerte Schlossbereich gemeint - und dann wurde das Städtchen geplündert: 2.000 Malter Früchte, Kühe, Ziegen, Schweine, Hühner, alles, was nicht niet- und nagelfest war, wurde fortgeschleppt. Auf 3.000 Gulden wurde der Schaden geschätzt. Pfarrer Nagengast schloss seinen Bericht über diesen Überfall mit den Worten: "Gott wolle sich unser gnädig erbarmen u. es nun nach seinem väterlichen Willen genug sein lassen, auch denjenigen verzeihen, die sich also an uns versündigt haben.".
Die Flüchtlinge blieben noch bis Ende 1646. Der letzte "frembde Reutter" in Bischofsheim war Burckhardt Koben, "der sich im Schutz hie aufhält" zusammen mit seiner Frau Anna, und deren Kind Georg Philipps am 21. August in der Stadtkirche getauft wurde, knapp zwei Monate, bevor in Münster und Osnabrück der Westfälische Friede geschlossen wurde.
Einzelnachweise / Hinweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Der Artikel "Neckarbischofsheim im Dreißigjährigen Krieg" von Peter Beisel erschien 1988 in dem Buch "Villa Biscovisheim - Neckarbischofsheim 988 - 1988", herausgegeben vom Heimatverein Neckarbischofsheim - Referenzen des Aufsatzes sind dort nachzulesen.
- ↑ Schwedentrunk: häufig angewandte Foltermethode, siehe: Wikipedia