Unter der Geißel des Krieges
Einleitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die letzten drei Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts waren überschattet durch die ständigen Einfälle französischer Truppen in Deutschland. Es war die Zeit des "Sonnenkönigs" Ludwig XIV. von Frankreich (1643-1715). Im Spätjahr 1673 scheinen erstmals französische Truppen in unserer Gegend gewesen zu sein; im November wurde Carl Valentin von Helmstatts Sohn Christoph Casimir in Heidelberg geboren, wohin die Mutter "wegen der frantzösischen Armee geflohen" war.
Angriff auf Sinsheim[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im Juni des darauf folgenden Jahres rückten die Truppen des Vicomte de Turenne, die bei Philippsburg den Rhein überschritten hatten, gegen Sinsheim vor, das von den Truppen des Herzogs von Lothringen und denen des Grafen Caprara verteidigt wurde. Von Westen aus bereitete Turenne den Angriff auf Sinsheim vor. Am 16. Juni griff er die Stadt an und eroberte sie. Die Verteidiger zogen sich in Richtung Waibstadt zurück und versuchten, sich nach Heidelberg durchzuschlagen. Am Abend stießen die Truppen des Vicomte de Turenne nach Waibstadt vor, besetzten die Stadt und plünderten sie. Dabei wurde auch das städtische Archiv vernichtet. Acht Häuser und vier Scheunen gingen in Flammen auf. Im Lauf des 17. Juni räumten die französischen Truppen die Stadt3. Neckarbischofsheim blieb offensichtlich verschont.
Konsequenzen für Bischofsheimer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Truppen blieben jedoch im Land. 1676 hielt sich Maria Ernestina von Helmstatt "aus Sicherheitsgründen" in Wimpfen auf. In Bischofsheim lagerte in den Jahren 1678 und 1679 das Caprarische Reiterregiment. Im Februar 1678 wurde in der Stadtkirche ein Soldatenkind getauft, und im Juli des folgenden Jahres wurde Hektor Franz von Kornfeyl Pate bei einem Bischofsheimer Kind; er gehörte dem Caprarischen Regiment als Cornet an und war auch zugegen, als Andreas Kaller, der neue Bischofsheimer Pfarrer, im Mai 1679 "in dem fördern Schloß ... examiniert" wurde. In diesen beiden Jahren lebten auch Untergimperner Einwohner im Schutz der Stadt: im September 1678 wurde Hans Leonhard Ritter getauft, dessen Eltern "von unterGümpern alhero geflohent" waren, und im Juni des folgenden Jahres starb in Bischofsheim die Witwe Margaret Hahn von Untergimpern. Vermutlich stehen auch die Taufen von zwei Adersbacher Kindern in den Jahren 1676 und 1678 in Bischofs heim in einem Zusammenhang mit der unruhigen Lage im Land.
Eroberungskrieg gegen die Pfalz (ab 1688)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im Jahr 1688 begann Ludwig XIV. den dritten Eroberungskrieg gegen die Pfalz, der bis 1697 dauerte und neben Heidelberg auch viele andere Orte der Pfalz verwüstete. Damit begann auch für unsere Gegend ein unruhiges Jahrzehnt. Während der "junge Herr von Helmstatt" mit seinem Reitknecht Jakob Truntzer im Krieg war, kamen erneut Flüchtlinge in die Stadt. Im März 1689 kam in Bischofsheim Johann Carl Friedrich zur Welt, der Sohn des Ludwig Ferdinand Göler von Ravensburg zu Daisbach; die Mutter hielt sich hier "wegen Frantzösischer Kriegstrubben" auf. Die Familie Zimmermann aus Baiertal suchte ebenso den Schutz des ummauerten Städtchens, wie die Familie Sauter aus Bergzabern oder der Wiedertäufer Hans Siegfried von Untergimpern, der am 13. Mai 1690 im Alten Schloss starb, oder die Untergimperner Familie Kristlin, deren Tochter im Juni 1690 in der Stadtkirche getauft wurde. Vor allem Sinsheimer Einwohner suchten nach der Zerstörung der Stadt (8. August 1689) Zuflucht in Bischofsheim; unter ihnen waren auch die Familie des "ruinierten Rosenwirths" Christian Becker, die Familie des "Ratsverwandten" (= Gemeinderats) Wolf Söhner und das Tagelöhnerehepaar Jacob und Maria Rauschenberger.
Soldaten in der Stadt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Zu den Flüchtlingen kamen die Soldaten. Im November wurde ein Soldatenkind "hier im Marschquartier gebohren und getaufft"; der Vater war ein Musketier. Wie lange die Truppen in Bischofsheim einquartiert waren, lässt sich dem kurzen Taufeintrag nicht entnehmen. Wie unsicher die Zeit war, macht der Tod des Gustav von Venningen deutlich: Husaren, die mit ihren Truppen in Sinsheim lagerten, hatten bei Neidenstein "ein Bauernpferd ausgespannt". Gustav von Venningen wollte zusammen mit Göler von Daisbach den Husaren das Pferd wieder abnehmen. Dabei wurden sie in der Nähe von Waibstadt aus einem Hinterhalt beschossen. Der von zwei Kugeln getroffene Gustav von Venningen wurde - wohl zur ärztlichen Behandlung - nach Bischofsheim gebracht, starb aber zwei Tage später an den Folgen der Verwundung.
Im August 1690 kam es bei der Plünderung der Sinsheimer Vorstadt zu einem Schusswechsel, bei dem der Knecht des Ochsenwirts und Postmeisters schwer verletzt wurde. Auch diesen Verwundeten brachte man zur ärztlichen Behandlung nach Bischofsheim, aber die Verwundung war so schwer, dass der "Herr Barbier" ihm nicht mehr helfen konnte; bei der Totenkirche wurde der tote Burckhardt Eberlin "mit Klang und Gesang ... zu seinem ruhbettlin gesetzt.". Im darauffolgenden Winter scheint das Commersische Reiterregiment in Bischofsheim einquartiert gewesen zu sein.
Unsicheres Bischofsheim[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Aber auch Bischofsheim galt offensichtlich nicht allen als ein sicherer Ort. Der dreijährige Sohn des Ludwig Ferdinand Göler von Ravensburg zu Daisbach starb in Wimpfen, wohin ihn der Vater "wegen frantzösischen Kriegstrubben" gebracht hatte. Als die Franzosen im Mai 1693 ein Lager in Sinsheim aufschlugen, befürchteten die Bischofsheimer einen Angriff, weswegen "alle Menschen auß dem Stättlein flohen." Einzig Margaretha Weiprecht, die Frau des Leinewebers, blieb im Ort zurück; sie war zu schwach zur Flucht. Einsam ist sie in der menschenleeren Stadt gestorben.
Der Krieg prägte noch fünf Jahre lang das Leben im Städtchen, in dessen Mauern immer wieder Truppen einquartiert waren. 1694 waren es Soldaten vom Sultzischen Regiment. Im gleichen Jahr ging auch Helmstadt, das Stammlehen der Herren von Helmstatt, an eine andere Familie über. Am 28. Mai starb mit dem schwachsinnigen Wolf Adam von Helmstatt zu Helmstatt der letzte männliche Spross dieses Zweiges der Familie. Karl Valentin von Helmstatt zu Bischofsheim und Pleikart von Helmstatt zu Hinsingen (der auch aus der Bischofsheimer Linie stammte) wären die rechtmäßigen Lehensnachfolger gewesen. Im November kamen sie um die Lehensinvestitur beim Kaiser in Wien ein (Helmstadt war Reichslehen), wurden aber abgewiesen. Er vergab das Lehen an Johann Philipp von Berlichingen, der mit Maria Magdalena von Helmstatt verheiratet war. Auch ein Prozess, den die Herren von Helmstatt gegen den Kaiser führten, brachte keine Wende zugunsten der Familie Helmstatt. Im gleichen Jahr wurde bei einem Vorstoß französischer Truppen das Schloss in Helmstadt zerstört.
Einquartierungen 1697[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Aus dem Jahr 1697 sind wieder Nachrichten über Einquartierungen in Bischofsheim erhalten. Diesmal waren es das Fuxische, das Sachsen-Gothaische und das Biberische Regiment. Soldatenkinder wurden getauft; Soldaten oder Soldatenfrauen, die in der Stadt starben, wurden „nach Soldatenmanier" begraben. Zwischen den Einheimischen und den Einquartierten entstanden Verbindungen: Im April 1697 heiratete der Feldscher (Wundarzt) der Sachsen-Gothaischen Kompanie Adam Georg Seybold die Tochter des verstorbenen Bischofsheimer Barbiers Gregorius Brömmer. Zu denen, die wegen der feindlichen Truppen ihre Heimat verließen, gehörte auch die verwitwete Ursula Christina von Venningen zu Eichtersheim. Im Spätjahr 1696 floh sie nach Bischofsheim und fand im Alexanderschloss Unterkunft. Dort starb sie nach langem Krankenlager am 29. November des darauffolgenden Jahres. Ihrem letzten Wunsch gemäß wurde sie nicht in der Gruft der Totenkirche, sondern auf dem "Kürchhof unter dem freyen Himmel" beigesetzt.
Linderung kriegsbedingter Not[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
So wie in diesem Fall versuchte man immer wieder, kriegsbedingte Not zu lindern. Carl Valentin von Helmstatt ging mit gutem Beispiel voran. Claudius Lorentz, "ein armer Mensch", wurde 29 Jahre im Schloss verpflegt und war in dieser Zeit als "Herrschaftlicher Bott" tätig. Einen kurpfälzischen Hauptmann nahm er nach dessen Entlassung ebenso auf, wie einen verarmten Adeligen. Völlig Mittellose wurden "aus dem Allmosen" beerdigt, d.h. die Kirchengemeinde übernahm die Kosten für den Sarg und die Bestattung, wie bei jener "armen, elenden Bettelfrau", die 1680 starb oder bei dem Kind Adam Hindermacher, das 1694 in größter Armut und Dürftigkeit gestorben ist, oder die Dienstmagd Gertrauta Lob, "ein armes Weib", die 1700 achtzehnjährig starb.
Andere sind „dem Betteln nachgegangen". Zu ihnen gehörte Johann Joachim Heckmann, ein "alter, matter, dürftiger Mann". Er war in Adersbach, um Brot zu betteln, aber "in dem großen Schnee", der am letzten Tag des Jahres 1694 lag, blieb er stecken. Man fand ihn zwar noch lebend, aber auf dem Heimtransport starb er. Manche starben namenlos wie im Dreißigjährigen Krieg. Zu ihnen gehörte ein armer gebrechlicher Mann, den ein Fuhrwerk "spat am Thorschlüßen" von Untergimpern mitbrachte. Er war zu schwach zum Reden und während man ihn vom Wagen nahm, ist er gestorben; "weiß niemand wo er her gewesen, hatt nichtß bey sich gehabt, alß einen Roßenkrantz".
Ende der Kriege[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im Winterhalbjahr 1697/98 scheinen die Truppen endgültig aus Bischofsheim abgerückt zu sein. Das 17. Jahrhundert, das unsere Heimat fünf Jahrzehnte mit Krieg überzogen hatte, neigte sich seinem Ende zu.